Doch keine Aufzüge im Bahnhof

Das ist bitter: Die geplanten Aufzüge im Konstanzer Bahnhof kommen nun doch nicht. Bei Routineuntersuchungen des Mauerwerks in der Unterführung stieß man auf eine höchst seltene Spezies, die man an dieser Stelle nicht vermutet hätte. Der „Graue Steinbeißer“ hat sich in einem verborgenen Winkel eingenistet, wie Experten der Bahn vergangenes Wochenende per Mail mitteilten. Seitdem herrscht Schockstarre in der Verwaltung, wollte man doch mit den Aufzügen zur Barrierefreiheit beitragen.

Die wurmartigen Nager, die sich von steinernen Segmenten ernähren und erst nach fünf Jahren geschlechtsreif sind, stehen seit 1952 auf der Roten Liste für gefährdete Tierarten und gelten als absolut schützenswert. Derzeit brütet ein Pärchen im Konstanzer Bahnhof seinen Nachwuchs aus und darf dabei unter keinen Umständen gestört werden, wie Wulf Bronkhorst, Biologe an der Konstanzer Universität, auf Nachfrage erklärte.

Die Tiere werden in der Regel bis zu 10 Zentimeter lang und erreichen in geschützten Räumen ein Alter von rund 70 Jahren. Sie sind nachtaktiv und daher kaum zu sehen. Laut Bronkhorst vermutet man im Bodenseeraum nur noch wenige Exemplare, die sich meist in feuchten Gemäuern aufhalten und sehr geräuschempfindlich sind. „Auf keinen Fall“, so der europaweit angesehene Steinbeißer-Experte, „kann hier in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren gebaut werden, alleine der Lärm, den ein Presselufthammer verursacht, wäre tödlich für die Steinbeißer“. Ob eine Umsiedlung des raren und sensiblen Gewürms überhaupt machbar ist, soll eine internationale Expertenkommission klären.

Die vorösterliche Nachricht schlug in Konstanz ein wie eine Bombe. Stephan Grumbt, Behindertenbeauftragter der Stadt, der sich seit langer Zeit für einen barrierefreien Bahnhof einsetzt, ist „einfach nur sprachlos“. Jürgen Ruff, Stadtrat der SPD, ist restlos sauer und neigt zu Verschwörungstheorien: „Da steckt doch die Bahn dahinter, die haben diese hässlichen Mistviecher klammheimlich hier ausgesetzt um die Kosten für den Umbau zu sparen“. Verträglichere Töne hört man von der Freien Grünen Liste (FGL). Deren Stadträtinnen Anne Mühlhäußer und Dorothee Jacobs-Krahnen plädieren für „Mäßigung bei der Debatte“ und fordern „ein friedliches Miteinander von Mensch und Tier“.

Der sichtlich geknickte Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn reagierte umgehend und hat für kommende Woche eine Sondersitzung des Technischen und Umweltausschusses (TUA) einberufen. Dort will man mit Unterstützung von Wulf Bronkhorst die Sachlage erörtern und die nächsten Schritte beratschlagen.

www.seemoz.de