Herrn Osners seltsame Erklärung

Damit hat der Konstanzer SPD-Bürgermeister Andreas Osner wohl nicht gerechnet. In seltener Übereinstimmung und Deutlichkeit geißelten alle Fraktionen sein Vorgehen, eigenmächtig ein 13 000 Euro teures Gutachten über die Berichterstattung zu „Mein Kampf“ im Stadttheater in Auftrag gegeben zu haben. Nun rechtfertigt er sich – und macht alles nur noch schlimmer. Hier sein Text, dazu ein Kommentar

 


Betreff: Versand Medienauswertung zu Mein Kampf

 

Sehr geehrte Gemeinderäte,

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

während meiner urlaubsbedingten Abwesenheit ist eine öffentliche Debatte über die Medienauswertung der Konstanzer Inszenierung von „Mein Kampf“ entstanden. Das war von mir zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt.

Aufgrund der Zahl und Vehemenz von bundesweiten, teilweise weltweiten Presseanfragen an mich als Kulturbürgermeister der Stadt Konstanz habe ich mich im April in noch nie dagewesener Weise von der symbolischen und kommunikativen Rahmung dieser Inszenierung distanziert. Keine der Statements wurden übrigens von mir selbst initiiert.

Es handelte sich um eine Situation, die auf allen Seiten von hoher Verunsicherung geprägt war. Die kontroverse öffentliche Diskussion in der Stadt zeigte, dass das Marketing zur Inszenierung gänzlich unterschiedlich wahrgenommen wurde. Angesichts dieses überwältigenden Medienechos stand außer Frage, dass es in seiner Unübersichtlichkeit einer strukturierten Aufarbeitung und Einordnung bedarf.

Folglich war das Ziel der Medienauswertung, aus diesem einzigartigen Vorgang für die zukünftige städtische Kulturarbeit und deren Kommunikation Schlüsse zu ziehen. Die Analyse muss intern verbleiben, weil seitens der Verwaltung kein Interesse daran besteht, die öffentliche Auseinandersetzung erneut zu entfachen. Vielmehr ist es mein ausdrücklicher Wunsch, den Konflikt zu beenden.

Eine solche Kommunikationskrise kann nicht über subjektive Wahrnehmungen reflektiert werden, sondern nur anhand von Fakten und objektiven Belegen. Dies geht nur mit Hilfe einer professionellen Aufarbeitung mit geeigneten Methoden, die in solchen Fällen einzusetzen sind. Unsere Pressestelle verfügt nicht über die personellen Kapazitäten und Tools, eine Auswertung in solcher Dimension durchzuführen.

Selbstverständlich habe ich mich mit unserem Anliegen zunächst an die Universität Konstanz mit der Frage gewandt, ob diese im Rahmen einer Forschungsarbeit o.ä. eine solche Analyse kostenfrei erstellen kann. Dies wurde aus verschiedenen Gründen abschlägig beantwortet.

Der Bitte von FGL und SPD, dem Gemeinderat die Ergebnisse zeitnah zur Verfügung zu stellen, komme ich selbstverständlich nach. Der Druckauftrag ist diese Woche erteilt worden, damit Ihnen die Auswertung unverzüglich, d.h. Anfang nächster Woche zugestellt werden kann. Der Versand erfolgt nicht elektronisch – wir weisen ausdrücklich auf die Vertraulichkeit der Dokumente hin.

Ich kann die aufgekommene Irritation verstehen und stelle mich selbstverständlich Ihrer Kritik. Dennoch hoffe ich, mit dem Versand der Unterlagen etwas zur Klärung beitragen zu können. Gleichzeitig biete ich an, zeitnah eine öffentliche Sitzung des Kulturausschusses zu ermöglichen; mein Büro befindet sich bezüglich eines Termins mit der GGR in Abstimmung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Andreas Osner

Erster Bürgermeister

Ziemlich neben der Spur

(hr) Viele können sich noch lebhaft an die fast groteske Szene erinnern. Da stand Bürgermeister Andreas Osner wie einbetoniert vor dem Theater und gab mit weit aufgerissenen Augen ein Interview nach dem anderen. Und er wäre wohl noch bis in die frühen Morgenstunden dort zu finden gewesen, um seinem Redezwang freien Lauf zu lassen. Nur: irgendwann gab es keine Abnehmer mehr für des Bürgermeisters Selbstdarstellung.

Wenn man nun seine Erklärung liest, warum er kurz darauf ein teures Gutachten in Auftrag gegeben hat, das herausfinden sollte, ob das Stück der Stadt geschadet habe, bleiben viele Fragen offen. Hat Osner völlig eigenmächtig gehandelt? Gab es eine Absprache mit Oberbürgermeister Burchardt? Darauf sollte Osner umgehend Auskunft geben. Nahezu dreist seine Ankündigung, die Ergebnisse des Gutachtens würden nur den GemeinderätInnen zur Verfügung gestellt, der Öffentlichkeit aber nicht. Das darf man ihm nicht durchgehen lassen.

Schier grotesk wird es aber dann, wenn er ankündigt, zum Thema eine öffentliche Sitzung des Kulturausschusses „zu ermöglichen“. Was denn jetzt? Die nicht öffentlichen Inhalte des Gutachtens sollen in öffentlicher Sitzung diskutiert werden? Ein durchweg wirres Pamphlet, das Osner da gestreut hat. Manche erholen sich während ihrer Urlaubszeit von den Mühen des Alltags. Das hat bei Andreas Osner nachweislich nicht funktioniert. Und die Verwirrung will nicht enden. Plötzlich wurde erklärt, die Sondersitzung sei nichtöffentlich, Tags darauf kam die Korrektur: Selbstverständlich dürfe die interessierte Öffentlichkeit daran teilnehmen. Das Konstanzer Rathaus wird zunehmend zum spätsommerlichen Tollhaus.