Mevlana Moschee: Es besteht Gesprächsbedarf

Am letzten Tag der grenzüberschreitenden Interkulturellen Wochen öffnete auch die Konstanzer Mevlana Moschee kurzzeitig ihre Türen. Aufgrund der dramatischen Verhältnisse in der Türkei auch für viele türkischstämmige KonstanzerInnen eher ein bemühter Wohlfühltermin, um die aktuellen Probleme zu verschleiern. Der Versuch, miteinander ins Gespräch zu kommen, gestaltet sich schwierig.

Hassan B. (Name d. Red. bekannt), kommt nur noch gelegentlich zum Einkaufen in die Mevlana Moschee. Früher, sagt er, habe er auch regelmäßig am Freitagsgebet teilgenommen, „aber der gescheiterte Putsch gegen Erdogan hat seine Spuren weitab von der Türkei hinterlassen – auch hier am Bodensee“.

Durch viele Familien geht ein Riss

Der türkischstämmige Konstanzer lebt seit rund 25 Jahren hier, seine Kinder besuchten die örtlichen Schulen und haben ihre Ausbildungen abgeschlossen. Er habe sich meist wohl gefühlt in der Moschee, sagt Hassan B., der parteipolitisch den türkischen Sozialdemokraten nahe steht. Doch in den vergangenen knapp zwei Jahren habe sich die Situation in der Moschee, die sich nach außen hin als weltoffen und liberal bezeichnet, radikal geändert: „Wer Erdogan auch nur dezent kritisiert, wird schief angeschaut oder auch aggressiv angegangen und sogar bedroht“. Mißtrauen herrsche mittlerweile in der türkischen Gemeinde und durch viele Familien ginge ein Riss. Eine zusätzlich bittere Erfahrung will er nicht unter den Tisch kehren: „Mit dem Zuzug von Flüchtlingen vor allem aus dem arabischen Raum sind auch radikal-islamistische und antisemitische Töne lauter geworden“.

Konkreter will er nicht werden, „denn ich habe noch Familie in der Türkei und müsste sonst um sie fürchten“. Und er ist sich sicher: „Da laufen auch Leute in der Moschee rum, die mit dem türkischen Geheimdienst MIT zusammenarbeiten und Erdogan-Gegner bespitzeln“. Belegen kann er das nicht, doch er ist nicht der einzige, der deswegen dem Gebetstempel am Seerhein, der finanziell vom Status der Gemeinnützigkeit profitiert, den Rücken gekehrt hat. Von Besuchen der alten Heimat sieht Hassan B. einstweilen ab. „Die Gefahr, am Istanbuler Flughafen verhaftet zu werden, weil ich als angeblicher Gülen-Anhänger oder PKK-Terrorist denunziert worden bin, ist groß und ich habe keine Lust, deswegen die nächsten Jahre in einem türkischen Gefängnis zu verbringen“.

Sie wollen doch nur beten

Die Kontaktaufnahme zu den Verantwortlichen der Mevlana Moschee gestaltet sich schwierig und auch wenig ergiebig. Eine bereits im Juli 2016 gestellte Anfrage an Vorstandsfrau Peyman Özen, wie sie denn die Verhältnisse in der Türkei einschätze und ob man darüber nicht mal freundlich ins Gespräch kommen könne ohne gleich die Konfrontation zu suchen, wird rigoros abgeblockt. „Die Aufgabe unserer Gemeinde ist, Musliminnen und Muslimen einen Ort zur Ausübung ihres Glaubens zu geben. Deswegen steht die Mevlana Moschee ausschließlich für religiöse Zwecke und überparteilich da“. Desweiteren behauptet Frau Peyman Özen, die Mevlana Moschee stünde nicht unter dem direkten Einfluss des türkischen Religionsministeriums Diyanet – „wir sind unabhängig und autonom“.

Das wiederum entspricht nicht den Tatsachen, denn die Konstanzer Moschee steht unter Ditib-Regie, wie rund 900 andere Moscheen in Deutschland auch, und Ditib und Diyanet ziehen am selben Strang. Ditib, sagen Kenner der Szene, sei spätestens seit dem gescheiterten Putsch eng verzahnt mit dem türkischen Geheimdienst MIT, der ebenfalls von Erdogan kontrolliert werde und hierzulande rund 6000 Informanten zählen soll. Der jeweilige Imam der Mevlana Moschee wird von Diyanet bezahlt und erhält seine Predigtvorgaben von einem „Religionsrat“. Religionsräte gibt es hierzulande in allen Bundesländern, dort sitzen die Imame und der Religionsattache des jeweiligen türkischen Generalkonsulats. Der Religionsattache hat auch die Aufsicht über die Imame und spricht sich bei allen Entscheidungen mit Ankara ab. „Wer mit Ditib kooperiert“, erklärten unlängst Politiker wie der Grüne Cem Özdemir und die Linke Sevim Dagdelen übereinstimmend, „kooperiert mit Ankara und nicht mit einer Religionsgemeinschaft in Deutschland“. Da erscheint eine aktuelle Forderung der Mevlana Moschee geradezu grotesk: „Da die türkischen Migranten hier in Deutschland ihre Steuern zahlen, sind wir der Meinung, dass die Imame auch von deutschen Steuergeldern finanziert werden sollten“. Und weiter am langen Arm Erdogans hängen?

Auch eine Anfrage des Konstanzer Internetportals seemoz an die Konstanzer Ditib-Jugendgruppe zu den Entwicklungen in der Türkei erfährt deutliche Ablehnung. „Ditib hat nichts mit Politik zu tun. Auf weitere Diskussionen mit Ihnen werden wir nicht eingehen (…) Wir sind eine religiöse Gemeinde, indem wir mit unseren Jugendlichen unsere gemeinsame Religion ausleben“.

Höchste Zeit für eine offene Debatte

Die politische Situation in der Türkei beschäftigt auch Özkan Ezli, der als Kulturwissenschaftler an der Uni Konstanz forscht. Man müsse mit der Mevlana Moschee einen „Gesprächsprozess unter dem Aspekt der Partizipation“ einleiten, denn der „Bedarf nach Aufklärung unter den bestehenden politischen Bedingungen ist groß. Viele KonstanzerInnen möchten einfach verstehen, was in der Türkei passiert und wie sich die türkischstämmigen BürgerInnen dabei fühlen“. Helfen könne seiner Meinung dabei auch die Stadt, die auf die Verantwortlichen in der Konstanzer Moschee zugehen solle, um eine zielführende Kommunikation in Gang zu setzen. Dass dabei „viel Fingerspitzengefühl“ gefordert sei, ist für Özkan Ezli die wichtigste Voraussetzung. „Wenn man die Leute in der Moschee von Anfang an unter massiven Rechtfertigungsdruck setzt, kann man es auch gleich bleiben lassen“. Einen Versuch sei es aber „auf jeden Fall wert, um die bestehende Angstkultur innerhalb der türkischen Gemeinde aufzubrechen“.