Südkurier zahlt freier Journalistin 130 Prozent Honorar nach

Die freie Journalistin Karin Burger (58) hatte in der Zeit von Januar 2016 bis August 2016 erneut (frühere Tätigkeit 20 Jahre zurückliegend) für den Südkurier, Lokalredaktion Meßkirch, gearbeitet. Von Anfang an hatte sie dabei in den Gesprächen mit dem zuständigen Lokalredakteur darauf hingewiesen, dass sie hauptberuflich tätig sei und schließlich eine Nachzahlung gefordert – mit Erfolg.

Ebenfalls von Anfang an strittig zwischen Südkurier und Burger waren die nach Meinung der Journalistin nachgerade skandalös niedrigen Honorare des Südkuriers, die weit unter den Sätzen der Gemeinsamen Vergütungsregeln für hauptberufliche tätige Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen (GVR) liegen. Der Südkurier ist Mitglied des Verbandes Südwestdeutscher Zeitungsverleger, der die GVR 2010 unterzeichnet hat.

Nachdem Burger im Rahmen ihrer freien (!) journalistischen Tätigkeit im Juli 2016 „versehentlich“ eine potenzielle Verbrauchertäuschung eines sehr großen Anzeigenkunden des Südkuriers recherchiert hatte, kündigte der Südkurier am nächsten Tage ohne Angabe von Gründen per E-Mail das Auftragsverhältnis. Burger weist ausdrücklich darauf hin, dass sich bei diesen Vorfällen um einen chronologischen Zusammenhang handelt; eine Kausalität kann sie nicht nachweisen.

In Reaktion auf die Beendigung des Auftragsverhältnisses machte Burger gegenüber dem Südkurier schriftlich und unter Fristsetzung ihre Honorarnachforderung geltend, wie sie sich aus der Differenz zwischen den tatsächlich vom Südkurier gezahlten Honoraren und den Entgeltsätzen, wie sie die GVR vorsehen, ergibt. Daraufhin verlangte die Chefredaktion des Südkuriers mit süffisanter Redundanz von Burger den Nachweis der Hauptberuflichkeit, der eigentlich zu Beginn des Auftragsverhältnisses hätte stehen müssen. Das allerdings stellte kein Problem für das Deutsche-Journalistenunion-Mitglied Burger dar, die den Nachweis über vorgelegte Kopien der Presseausweise sowie ihres Versichertenstatus bei der Künstlersozialkasse erbrachte.

Danach meldete sich der Südkurier nicht mehr. Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes wurde notwendig. Die führte – inklusive Klageandrohung – sofort zu einer überraschenden Redaktion: Schriftlich erklärte der Südkurier seine Bereitschaft, das nachgeforderte Honorar im gesamten Umfang abzüglich eines von Burger geltend gemachten Dokumentationsaufwandes zu zahlen. Mit einer weiteren Verzögerung von elf Tagen ging der geforderte Nachzahlungsbetrag ohne weitere Abzüge (abgesehen von dem Dokumentationsaufwand) auf dem Konto von Burger ein.

Die Höhe der geforderten und nach Meinung von Burger vom Südkurier durch Zahlung als berechtigt anerkannten Forderung beträgt gerundet 130 Prozent des gesamten in der Zeit von Januar bis August 2016 an die freie Mitarbeiterin gezahlten Honorars. Die enorme Höhe dieser Nachforderung ergibt sich nach Angaben von Burger hauptsächlich aus der Tatsache, dass der Südkurier seinen freien Mitarbeitern für die Online-Verwertung der Artikel überhaupt nichts bezahlt. Tatsächlich jedoch bedeute diese Online-Verwertung nach GVR einen sogenannten Zweitabdruck, der selbstverständlich zu honorieren ist. Gleichzeitig werde vom Südkurier erwartet und unverhohlen bis nachgerade unverschämt von dem Lokalredakteur in Meßkirch verbal gefordert, so Burger weiter, dass freie Mitarbeiter das kostenpflichtige (!) Online-Abonnement des Südkuriers erwerben. „Erst werden die Freien um ihre Honorare beim Zweitabdruck geprellt und dann sollen sie auch noch dafür bezahlen, ihre eigenen Artikel online einsehen zu können und auf diesem Weg zu Belegexemplaren zu kommen“, kommentiert die couragierte Journalistin aus Baden-Württemberg.

Auch wenn die Zeitungsverleger Medienberichten zufolge mit Wirkung zum 1. März 2017 die GVR gekündigt haben sollen, hofft Burger, dass ihr Erfolg und insbesondere die Höhe der erfolgreich durchgesetzten Honorarnachforderung andere freie Journalistinnen und Journalisten dazu ermuntert, ihre Forderungen gegenüber den Verlagen geltend zu machen – oder sie zumindest als komfortable Verhandlungsbasis für die Vereinbarung zukünftiger Honorare zu nutzen, die dann im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung stehen. Es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass solche Forderungen nach Urteil des Landgerichts Düsseldorf (Az. 12 O 455/14) offensichtlich über viele Jahre zurück, möglicherweise bis 2010, geltend gemacht werden können. In dem genannten Fall hatte ein Kollege nach Angaben von dessen Anwaltskanzlei 40.000 Euro von einem Zeitungsverlag nachgefordert und erhalten.

Zu der berechtigten Sorge vieler Freier, nach Geltendmachung ihrer durch die laufende Rechtsprechung bis in höchste Instanzen bestätigte Honorarforderung nach GVR gegenüber den Verlagen argumentiert Burger: “Betroffene sollten sich überlegen, ob sie bei einer Nachzahlung von potenziell bis zu 130 Prozent ihrer Honorare bis zurück ins Jahr 2010, für Bilder zurück bis 2013, einen drohenden Auftragsrückgang oder sogar –ausfall nicht doch komfortabel kompensieren können.“

Für die Inanspruchnahme anwaltlichen Beistands zur Durchsetzung ihrer Forderung gegenüber dem Südkurier muss Burger ebenfalls nicht geradestehen, da die Kosten dafür nach Paragraf 280 und 286 Bürgerliches Gesetzbuch vom Schuldner zu tragen sind. Juristische oder finanzielle Unterstützung von der Deutschen Journalistenunion bei VERDI hat Burger bei der Durchsetzung ihrer Forderung nicht erhalten.

Erschienen am 15.3. bei www.seemoz.de